Die Macht der Worte
Im Alltag stolpere ich über Formulierungen, die Menschen floskelhaft und ohne nachzudenken verwenden. Es mag das Richtige gemeint sein, gesagt wird etwas anderes.
Worte haben Macht – sie prägen unsere Gedanken und Gefühle. Gerade wenn es um Entschuldigungen geht, die das Leid eines anderen betreffen, sind sprachlich klare und ehrliche Formulierungen besonders wichtig.
Sorry! Tschuldigung! – reicht das aus?
Für Kann ich da mal bitte eben durch reicht ein Sorry oder Tschuldigung aus. Doch wenn du jemanden wirklich verletzt oder ihm Schaden zugefügt hast, genügt das nicht. Dann braucht es auf deiner Seite eine Anerkennung deiner Schuld, des Leids des anderen und die ernst gemeinte Bitte, das zu entschuldigen. Der zentrale Punkt dabei ist:
Du kannst dich nicht selbst entschuldigen!
Immer wieder höre ich und jedes Mal ärgere ich mich dabei, dass die Person, die den Mist gebaut hat, Sätze sagt wie
- Ich entschuldige mich/mein Verhalten.
- Es tut mir Leid.
Wenn es damit dann nicht gut ist auf der anderen Seite heißt es
- Aber ich habe mich doch entschuldigt.
- Aber ich habe doch gesagt, dass es mir Leid tut.
- Ich habe alles gemacht. Da kann ich jetzt auch nichts mehr dazu, wenn der andere Mensch noch beleidigt ist.
Fokus auf dich oder auf den anderen?
Was ist mit dem Geschädigten? Sämtliche Sätze eben drehten sich primär um den eigenen Orbit des Mistverzapfers und nicht um den, der den Mist abbekommen hat.
Reue zu zeigen für das eigene Verhalten und den Fehler einzugestehen, ist der erste Schritt. Zu sagen, dass es einem Leid tut, ist durchaus in Ordnung. Viel wichtiger ist dabei jedoch, dass es einem Leid tut, dass man der anderen Person Leid angetan hat, denn um deren Leid geht es primär.
Um Verzeihung bitten, nicht fordern
Der zentrale Punkt meines Gedankens ist, dass die geschädigte Person dir nicht verzeihen muss. Es steht ihr frei. Nur sie kann dir vergeben. Du kannst dich nicht selbst reinwaschen. Deshalb ist der korrekte Weg, eine Entschuldigung zu erhalten, eine Bitte um Verzeihung auszusprechen mit Sätzen wie
- ich bitte dich um Verzeihung.
- ich freue mich, wenn du mir vergeben kannst.
Wenn die andere Person nicht sofort vergeben kann, frag nach, was sie braucht. Vielleicht ist es deine Reue, ein Ausgleich – eine Schachtel Pralinen, Blumen oder einfach Zeit.
Verstehst du den Unterschied? Wie gehst du mit Entschuldigungen um?
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10 Antworten auf „Verzeihen und die Kunst der Bitte um Entschuldigung“
Guten Morgen Ines, ich bin mir nicht sicher. Tatsächlich sehe ich das etwas anders. Dazu muss ich allerdings erklären, dass ich mich beruflich öfter entschuldige, mit das tut mir Leid. Das sind oft Dinge, die ich gar nicht verschuldet habe. Terminverschiebungen, eine längere Wartezeit oder auch, wenn eine Kollegin einen Fehler gemacht hat, entschuldige ich mich meist mit: Es tut mir Leid.
Eigentlich versuche ich, Menschen in meinem Umfeld, also im persönlichen Umfeld nicht so zu verletzen. Mir würde jetzt tatsächlich kein Beispiel einfallen. Aber dennoch wäre ich in dem Fall auch für eine Kombination beider Sätze. Vielleicht wie es tut mir furchtbar leid. Ich würde mich freuen, wenn du mir vergeben kannst. Aber das klingt schon nach ganz furchtbar schwerer Verletzung, das bin sogar gar nicht ich. Ich verstehe, was du meinst mit es tut mir Leid. Klar kommt da mir vor. Aber im Satz ich bitte dich Dich oder ich freue mich… Finde ich das ich-betonte fast schlimmer, ja, es klingt fast wie eine Nötigung. Denn falls ich jemals jemanden so verletzen sollte, fände ich es komisch, wenn ich sagen würde ich freue mich, wenn du mir vergibst. Weshalb sollte mir der verletzte Mensch eine Freude bereiten wollen. Verstehst du meine Skepsis? Ich bin gespannt auf die weiteren Kommentare. Muss leider zur Arbeit. Hoffentlich muss ich mich heute nicht oft entschuldigen.
Ich wünsche dir einen schönen Donnerstag, liebe Grüße, Tina
In dem Fall finde ich die Floskel O.K., weil es dir am Ende (vermutlich) nicht darum geht, dass die Person dir wirklich verzeiht. Es geht mehr darum, die Stimmung in der Praxis aufrecht zu halten und die Leute zu besänftigen, oder? Dennoch könntest du da anstatt Es tut mir Leid, dass Sie Wartezeit hatten. es auch mal mit Bitte entschuldigen Sie die Wartezeit. versuchen. Es geht ja im Alltag nicht darum, bei jeder Kleinigkeit einen tiefen Kniefall zu machen. Trotzdem nehmen Menschen die Worte wahr.
Absichtlich verletzt in seinem privatem Umfeld wohl kaum jemand einen anderen. Es passiert vielen Menschen trotzdem, wenn sie im Stress sind oder mal die Wut auf jemanden an der falschen Person auslassen oder ungerecht zu jemandem sind, weil ihnen eigentlich eine andere Laus über die Leber gelaufen ist. Oder jemandem etwas nicht so wichtig war wie dem anderen. Umso besser, wenn dir sowas nicht passiert.
Hab einen guten Tag mit wenig Entschuldigungsmomenten!
Ich habe gerade im Urlaub von einer Kellnerin etwas Interessantes gelernt, als ich sie fragte, was Entschuldigung auf Griechisch heißt. Sie sagte das Wort und dass ich es gleich wieder vergessen können. Denn man würde das in Griechenland nur bei ABSOLUTEN Verfehlungen benutzen. Sonst sagt man wohl sorry.
Ich bin in vielen Dingen bei dir. An die Wortwahl hänge ich mich nicht. Mir ist die Aufrichtigkeit einer Entschuldigung deutlich wichtiger.
Da geht es jetzt nicht um ein Sorry beim Anrempeln o.ä.
Wir haben unseren Kindern beigebracht, dass Entschuldigen bedeutet, dass es einem leid tut, was man gemacht hat und es nicht wieder tut.
Ich erlebe häufig, dass Menschen eine Entschuldigung hinwerfen, ohne zu sagen, was ihnen leid tut oder ihr Verhalten begründen. Einfach, um das Thema los zu sein.
Um dann beim nächsten Mal genauso zu agieren.
Ich habe keinen bestimmten Ritus, mich zu entschuldigen. Aber in der Regel füge ich Menschen wissentlich auch kein Leid, oder Schmerz zu.
Weißt du, wie ich meine?
Meine Wortwahl ist also situationsbedingt, aber immer begründet und aufrichtig.
Generell bin ich der Meinung, dass wir neben dem Entschuldigen aber auch an unserer Fehlerkultur arbeiten dürfen. Und uns dann auch trauen dürfen, Fehler zuzugeben, uns dafür entschuldigen und es dann auch gut ist.
Schöner Beitrag.
Liebe Grüße
Nicole
Freut mich, dass dir der Beitrag gefällt.
Interessant, wie multi-kulti sorry inzwischen ist. Für kleine Versehen finde ich sorry auch passend.
Kindern wird heutzutage im Kindergarten etwas aus meiner Sicht Schlimmes beigebracht. Haben sich zwei gezofft, müssen sie sich angucken, die Hand geben und Entschuldigung sagen. Reue, Einsicht, ggf. Ausgleich und es nicht wieder zu tun spielt keine Rolle dabei. Es entsteht viel mehr die Prägung bei den Kindern, dass sich Verfehlungen mit einem hingerotzen Tschuldigung auslöschen lassen. Dabei erzielt das maximal einen Waffenstillstand. In meiner Familie hieß das immer Friede bis zum nächsten Krieg. Der konnte drei Minuten später ausbrechen.
Fehler zuzugeben, ist wichtig – nur kann man sich eben nicht selbst entschuldigen. Das kann nur der andere, damit es dann für beide gut ist. Auch das gehört für mich zur Fehlerkultur.
Da weist Du auf eine feine Unterscheidung hin, die nicht so geläufig ist. Meistens ist man ja froh, wenn es irgendeine Art von Entschuldigung ist, die man gibt oder erhält. Dass es dabei noch auf die Feinheiten ankommt, macht das Ganze natürlich wertvoller.
Reue ist ein unangehmes Gefühl, das ein wenig abhanden gekommen ist, wie mir scheint. Sie verweist einen auf sich selbst und das eigene Fehlverhalten, das ist nicht leicht zu verdauen. Aber so hilfreich.
So kann ein Fehler als solcher nützlich sein im Sinne von Erkenntnis und möglichst nicht wieder gemacht werden. Da fällt dann auch das Verzeihen leichter von der Gegenseite.
Im Geschäftsleben ist eine gute Fehlerkultur eine wunderbare Sache.
Ich erlebe das immer wieder, denn ich mache da leider auch Fehler.
Doch mit Ehrlichkeit und Reue und Versuchen der Wiedergutmachung, erlebe ich oft echte Nähe zu den Kunden. Das ist wirklich erstaunlich.
Ich verwende dann zusätzlich den alten Satz:
„Hoffentlich sind Sie uns nicht allzu gram.“
Tatsächlich wird er von meinen KundInnen auch verstanden.
Gram kommt ja von Kummer und beinhaltet für mich, dass ich Kummer bereitet habe und hoffe also, dass dieser Kummer verziehen werden kann. Dies geschieht dann auch oft in einer kurzen Antwort-Mail und ist so schön!
Herzlich,
Sieglinde
Du sagst es: Reue ist aus der Mode gekommen.
Danke für diese wunderbare Formulierung!
Der Satz
beinhaltet schön, dass ihr seht, dass es Grund zum Gramsein gibt (Anerkennung der eigenen Schuld) und dass ihr hofft, dass das Leid nicht so hoch ist (Mitgefühl). Ein Ausgleich können eure persönlichen Worte sein, ein Rabatt oder eine Materialzugabe. Alles richtig gemacht!
Wie schön! Endlich jemand, der einsieht, dass ich mich nicht entschuldigen im eigentlich Sinne, nämlich mich von Schuld befreien kann. Das gab es mal in der katholischen Kirche und hieß Ablasshandel 😉
Ich bin ganz sicher niemand, der gern absichtlich seine Mitmenschen verletzt. Aber ich bin eben auch ein Mensch, der Fehler macht. Aber ich bin genauso in der Lage, das dann auch laut zu sagen. Und darum bittet, das zu verzeihen. Das mit dem Zugeben von Fehlern ist selten geworden. Ich treffe gar nicht selten Menschen, die ständig versuchen, ihre eigenen Fehler anderen zuzuschieben – eine gruselige Angewohnheit.
Fast so gruselig wie „Entschuldigung, aber“. Wer das sagt, hat bei mir ganz schlechte Karten. Das ist quasi noch eine Steigerung des „sich selbst die Schuld erlassen“, nämlich „ich erlasse mir mal selbst die Schuld, von der ich gar nicht einsehe, dass ich sie je hatte“. Da erübrigt sich dann aber wohl auch künftig jede Diskussion…
Liebe Grüße
Fran
Und endlich versteht mich mal jemand! An den Vergleich mit dem Ablasshandel denke ich dabei auch oft. Geschehen, bezahlt, gelöscht – nur so funktioniert das Leben heute nicht mehr.
Mir geht das wie dir: Natürlich mache ich keine absichtlichen Fehler. Nur ist es so, dass Menschen nun mal Fehler machen. Wenn mir das passiert, werfe ich mich in den Staub.
Oh weh, Entschuldigung, aber ist kaum zu toppen … da hilft nur noch, augenrollend Abstand zu schaffen.
Ich bekomme mehrfach täglich ein „T´schuldigung“ zu hören, wenn mein Mann mich über den Haufen rennt. An seine verkappten Mordversuche habe ich mich längst gewöhnt und bin zum Glück ziemlich robust und in der Hinsicht auch überhaupt nicht nachtragend.
Bei einer „richtigen“ Verfehlung hingegen braucht es definitiv mehr, als so eine hingeworfene Entschuldigung. Die Wortwahl ist dabei für mich gar nicht so elementar aber ohne Einsicht und Reue beim Verursacher kann ich auch nicht verzeihen. Da habe ich dann auch ein extrem gutes Gedächtnis.
Den anderen um Verzeihung zu bitten, finde ich auch besser. „Es tut mir leid“ ist aus meiner Sicht aber auch ok, denn das ist ja eher eine Tatsachenfeststellung und drückt die Gefühlslage beim Verursacher aus. Wie das Gegenüber darauf reagiert, bleibt offen. Allerdings sollte noch ein bisschen mehr darauf folgen, wenn man wirklich etwas ausgefressen hat. Dann muss ich das auch benennen und erfragen, was es als Wiedergutmachung braucht. Oder akzeptieren, dass es keine gibt und ich es völlig verk.. habe. Mit letzterem habe ich selbst zum Glück keine Erfahrung.
Liebe Grüße!
Neben der Wortwahl ist für mich der Ton ganz entscheidend und wenn man sich sieht natürlich auch der Blick. Wenn eins von beidem dann noch genervt ist bei einem aber ich habe mich doch entschuldigt, platzt mir die Hutschnur.
Mir hat jemand mal etwas nicht verziehen – mich nicht mal angehört dazu. Das hatte alles seine Gründe und ging mir lange nach. Zumindest habe ich etwas daraus gelernt – über diesen Menschen und über die Folgen meines Verhaltens. Klar war nach dem Geschehen, dass ich ihm wohl deutlich wichtiger war, als mir bis dahin klar war. Sonst hätte ich ihn gar nicht so tief verletzen können. Zehn Jahre später hat er versucht, mit mir über eine andere Person Kontakt aufzunehmen, aber sich das dann wohl doch anders überlegt, denn wir haben nie wieder miteinander gesprochen. Heute liegt das für mich in der abgeschlossenen Vergangenheit eines anderen Lebens und im Grunde bin ich froh, dass diese Person nicht mehr Teil meines Lebens ist.