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Lesetipp – Liebe mit hinderlichen Vorurteilen

Werbung – Rezensionsexemplar

Grande Amore von Stefanie Mertens

Grande Amore. Eine Liebe in zwei Welten
von Stefanie Mertens

Originalausgabe, Paperback, Klappenbroschur, 368 Seiten
ISBN 978-3-453-42518-7
Erschienen am 14. Dezember 2022 im Heyne Verlag (Werbung)
Eine Leseprobe und Bestellmöglichkeiten bei diversen Händlern findest Du auf der Verlagswebsite. Ich habe das E-Book gelesen.

Große Gefühle zwischen Bonn und Sizilien​

Nachdem Katharina den Großteil ihrer Familie bei einem tragischen Unfall verloren hat, ist sie am Boden zerstört. Bis sie Luciano trifft. Der junge Italiener ist gerade als Gastarbeiter nach Bonn gekommen und von der selbstbewussten Katharina fasziniert. Eine Frau wie sie hat er noch nie getroffen. Und auch Katharina verliebt sich sofort. Schritt für Schritt nähern sich die beiden einander an. Doch die Sprachbarriere, die kulturellen Unterschiede und vor allem die Vorurteile um sie herum stehen ihnen im Weg. Katharinas Umfeld und Lucianos Familie tun alles, um diese Liebe zu verhindern. Eine Deutsche und ein Italiener? Ein Skandal! Also müssen sie kämpfen – für sich, für ihre Liebe, für ihre Zukunft.“

Verlagstext

Katharina und Luciano lernen sich zufällig kennen, als Luciano für vier Wochen in Bonn bei seinem Onkel in einer Eisdiele im Verkaufswagen aushilft, nachdem er in Italien als Automechaniker arbeitslos wurde. Sie verlieben sich und er geht planmäßig zurück nach Sizilien.

Wird er sich entscheiden, sich als Gastarbeiter in Deutschland anwerben zu lassen? Haben die beiden eine gemeinsame Zukunft? Und wenn ja – wo und wie kann die aussehen?

Die Sprachbarriere ist das geringste Problem von Katharina und Luciano, denn er spricht fließend Deutsch. Das hat er im Heimatland gelernt, denn sein Ziehvater sorgt dafür, seinen Wissens- und Bildungsdrang zu stillen.

Die kulturellen Unterschiede sind das Hauptproblem, denn eine italienische Mutter spielt in den 1950ern zeit ihres Lebens die Hauptrolle im Leben ihrer Kinder, vor allem ihrer Söhne. Luciano scheint nur liebenswert zu sein, wenn er nach ihrer Pfeife tanzt.

Wie kommt Lucianos Nonna Violetta damit klar, dass er sich in eine Frau aus ehemaligem Feindesland verliebt hat? Gar nicht. Und von ehemaligem Feindesland kann auch keine Rede sein. Violetta hasst alles Deutsche und alle Deutschen zutiefst. Sie möchte um jeden Preis weder ihren jüngsten Sohn an die Deutschen verlieren, noch eine deutsche Frau in der Familie wissen.

Katharina führt ein Weingut an der Ahr und lebt mit Ende 20 selbstständig und selbstbewusst in der Eifel. Sie versucht, ein Jahr nach dem Tod von drei nahen Familienangehörigen wieder ins fidele Leben zu finden. Sie möchte ganz sicher nicht das Weingut verlassen, deren Weiterführung sie ihrem Vater versprochen hat und auf dem die Mutter lebt.

Sie hat es allerdings schwer, das Weingut wirtschaftlich wieder auf die Beine zu bringen, weil sie in der Männerwelt des Weins als Frau, die Kauffrau, aber keine Kellermeisterin ist, kaum ein Bein an den Boden bekommt. Man traut ihr weder fachliche noch wirtschaftliche Kompetenz zu, dabei ist die in diesem Umfeld erwachsen geworden.

Katharina gehört zu den Frauen, die nicht verstehen, warum Männer ihnen nicht das zutrauen, was Frauen im Krieg jahrelang gemacht haben: Betriebe leiten und Kinder groß ziehen.

Auch Luciano hat erst Schwierigkeiten, sich an den Gedanken zu gewöhnen. Da er aber sieht, wie sie in ihrer Rolle aufgeht, ist er schnell bereit, seinen Horizont in der Hinsicht zu erweitern.

Außerdem wird sie sich sicherlich nicht einer italienischen Großfamilie samt deren Nonna unterordnen und aus dem blühenden Wirtschaftswunderland in die ärmste Ecke Italiens, Sizilien, ziehen, wo Luciano nicht den Hauch einer Chance auf Arbeit hat. Ohne Not von der Chefin in Wohlstand zu einer von vielen in Armut zu werden, kommt für sie nicht in Frage.

Doch nicht nur die Nonna hat Probleme mit einer deutschen Schwiegertochter, die Bewohner der Eifel sind italienischen Gastarbeitern auch nicht gerade aufgeschlossen gegenüber. Die Gastarbeiter gelten als leichtfüßig; Werte und Lebensstile prallen aufeinander.

Gut gefallen hat mir bei dem Roman, dass die weibliche und männliche Perspektive dieser Liebe Raum hat und in Bezug auf die Werte keine Urteile in richtig und falsch von Katharina und Luciano gefällt werden, sondern es immer darum geht, Wege zu finden. O.K., die Wege enthalten viele Stolpersteine, aber immerhin werden Wege gesucht. Ob die Steine oder die Liebe siegen, kannst Du beim Lesen herausfinden.

Ist das ein Roman für Dich?

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Lesetipp ***** Familienbande 2

Werbung – Rezensionsexemplar

Sommerschwestern - Die Nacht der Lichter - von Monika Peetz

Sommerschwestern – Die Nacht der Lichter
Die Sommerschwestern-Romane, Band 2
von Monika Peetz

Paperback, 304 Seiten
ISBN 978-3-462-00398-7
Erschienen am 9. März 2023 bei Kiepenheuer & Witsch (Werbung)
Eine Leseprobe und Bestellmöglichkeiten bei diversen Händlern findest Du auf der Verlagswebsite.

Monika Peetz’ vier »Sommerschwestern« kehren zurück an ihren Ferienort Bergen an der holländischen Nordseeküste, auf der Spur des großen Familiengeheimnisses. Eine spannende Suche nach der Wahrheit über den Tod ihres Vaters vor sommerlicher Urlaubskulisse.

Jede Familie hat ein Geheimnis. Die Familie Thalberg hatte zwei. Das Rezept für den besten Käsekuchen der Welt und die Frage, was wirklich in der Sturmnacht geschehen war, in der der Vater verunglückte. In den großen Ferien kehren die vier Sommerschwestern an die holländische Nordseeküste zurück. Der Strandurlaub verwandelt sich in die ultimative Zerreißprobe. Ein mysteriöser Verfolger lässt die Konflikte zwischen den vier Frauen eskalieren. Alles kreist um die entscheidende Frage: Wohin war Johannes Thalberg in der Sturmnacht unterwegs? Jede der Schwestern kennt ein Stück der Wahrheit. Und jede hat etwas zu verbergen.“

Verlagstext

Im April 2022 habe ich Dir den ersten Band der Sommerschwestern empfohlen mit den Worten Wenn man das alles in 304 Seiten unterbringt, ist es ganz schön viel. Für mich hätte das Buch durchaus 500 Seiten haben können und dafür hätte ich dann auch gerne die Perspektiven von Doro und Henriette gelesen. 

Damals wusste ich nicht, dass zwei Bände folgen würden. Da hatte wohl noch jemand das Gefühl, dass diese Geschichte nicht zu Ende erzählt war. Heute stelle ich Dir Band 2 – Die Nacht der Lichter vor. Band 3 – Flaschenpost aus der Vergangenheit ist für den 7. März 2024 beim Verlag in Planung und steht bereits jetzt auf meiner Wunschliste.

Die Trilogie

Wenn Dich die Sommerschwestern interessieren, empfehle ich Dir, sie in der Reihenfolge zu lesen. Ohne die Informationen aus Band 1 hätte sich mir Band 2 nicht erschlossen. Schön für Leserinnen, die gerne dicke Bücher mögen und Band 1 noch nicht kennen: Die beiden Bände kannst Du jetzt direkt nacheinander lesen. Oder Du wartest noch ein Jahr und verschlingst drei Bände in einem Rutsch.

Sommerschwestern – Die Nacht der Lichter – Band 2

Nun zurück zu Band 2: Die Geschichte des Romans steuert in Bergen auf die Nacht der Lichter zu, den sogenannten Lichtjesavond. Das ist die Nacht, in der 20 Jahre zuvor der Vater der vier Frauen in einer Sturmnacht bei einem Autounfall verunglückt ist.

Während in Band 1 Mutter Henriette die vier Töchter nach Bergen zitiert, um sie zu ihrer Hochzeit einzuladen, geht der Urlaub in diesem Jahr von Hellen aus. Sie lädt ihre drei Schwestern in die Villa ein, in der sie vor 20 Jahren gewohnt haben und hofft, die Wahrheit darüber herauszufinden, was damals wirklich in der Nacht passiert ist.

Im Gegensatz zu ihr haben ihre Schwestern allerdings nicht das Bedürfnis, die Vergangenheit zu beleuchten, sondern wollen in die Zukunft blicken. Meiner Erfahrung als Mediatorin funktioniert das nicht. Und so ist es auch bei den vier Frauen: Unbeschwert geht keine von ihnen durchs Leben.

„Nur wer die Vergangenheit kennt, kann die Gegenwart verstehen und die Zukunft gestalten.“

August Bebel

Dieser Band spielt primär in den Perspektiven von Yella und Hellen. Amelie taucht immer wieder am Rande auf. Doro hat in Präsenz in Bergen die kleinste Rolle der Schwestern, in den Gedanken der Schwestern und in der Familie neben der Mutter für die Handlung hingegen eine immense.

„“Familie ist wie ein Instrument, das man erlernt“, hatte Yella einmal ihren Therapeuten Dr. Deniz zitiert. „Man muss Mühe und Liebe hineinstecken, bevor man von seinem Instrument zurückgeliebt wird.““

Hellens Gedanken, Seite 17

Das Band zwischen Doro und Henriette und die Abgrenzung der beiden von Yella, Hellen und Amelie hat seit dem Vorjahr weiter zugenommen. Hellens Erkenntnis am Ende des Buchs ist, dass nicht die Schwestern ihr Leben so kompliziert machen, sondern Henriette (vgl. Seite 333).

Wie so viele Mütter verweigert Henriette einen erwachsenen Dialog mit ihren Töchtern, weil sie darin Verantwortung für ihr eigenes Handeln übernehmen müsste. Diese Spielchen spielende Mutter ist schlichtweg ein Alptraum für mindestens drei ihrer Töchter.

Da ich derartige emotionale Spielchen, in denen sich jemand permanent zum Opfer macht und andere Menschen gegeneinander auszuspielen versucht, nur schwer ertragen kann, bin ich froh, dass Henriette in diesem Band nur selten am Telefon mal zu Wort kam. Bin gespannt, wie sich das im dritten Teil entwickelt.

Hellen ist für mich die Haupterzählfigur im zweiten Teil. Schön finde ich, wie sie ihre Beziehung zu Yella und vor allem deren beiden kleinen Söhnen vertieft. Ihre zweieiige Zwillingsschwester Amelie war für sie immer auf einem anderen Stern und auch diesen scheint sie langsam zu begreifen. Amelie hat für den Moment einen guten Platz für sich in Bergen bei ihrer Freundin gefunden, Doro tobt weiter durchs Chaos ihres Kreativlebens.

Die Schwestern kommen am Ende der Lösung ihrer Fragen recht nah, aber es fehlen immer noch Puzzleteile. Bin gespannt, ob Doro im dritten Teil zu Wort kommt oder weiter im Hintergrund durch die Leben ihrer Schwestern wirbelt. Ich freue mich jetzt schon auf das Lesen in einem Jahr!

Bist Du auch Fan der Sommerschwestern?

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Lesetipp ***** Ein Leben als Mutter & Tochter in den 1950ern

Werbung – Rezensionsexemplar

Hanne Die Leute gucken schon von Felicitas Fuchs

Hanne. Die Leute gucken schon
Mütter-Trilogie Band 2
von Felicitas Fuchs

Originalausgabe, Paperback, Klappenbroschur, 608 Seiten
ISBN 978-3-453-42620-7
Erschienen am 18. Januar 2023 im Heyne Verlag (Werbung)
Eine Leseprobe und Bestellmöglichkeiten bei diversen Händlern findest Du auf der Verlagswebsite. Ich habe das E-Book gelesen.

„Minden 1951: Hanne wächst in bescheidenen Verhältnissen heran. Ihre Mutter Minna sorgt dafür, dass alles in geregelten Bahnen verläuft, sogar ein bisschen Glück scheint endlich wieder möglich. Als Hanne dem smarten, viel älteren Paul Wagner begegnet und sich zum ersten Mal verliebt, nimmt ihr Leben eine Wendung, die für immer alles verändert.“

Verlagstext

Achtung Spoiler!

Keine Sorge, ich verrate keine Details, auf die man nicht beim Lesen kommen könnte, aber deutlich mehr, als im Klappentext steht. Sonst ließe sich das Buch meiner Einschätzung nach inhaltlich nicht ausreichend vorstellen. Wenn Du Dich ganz überraschen lassen möchtest vom Buch, höre bitte an dieser Stelle auf mit Lesen.


Schon wieder beginne ich die Geschichte mit Worten aus dem Nachwort (Pos. 6911 im E-Book): Die Autorin verrät dort, dass Minna und Fritz ihre Großeltern waren, Karl ihr Großonkel. Diese Personen sind vor Jahrzehnten gestorben.

Ihre Berufe und Biografien waren im Leben wie im Roman. Namen, Berufe, Aussehen oder andere Erkennungsmöglichkeiten von lebenden Personen wurden verändert. Von diesem Hintergrund zu Wissen, gibt dem Geschehen für mich eine andere Tiefe, als wenn es ein reines Fantasiegebilde wäre.

In der ersten Hälfte des Romans spielt Minna die Hauptrolle mit der Schülerin Hanne an ihrer Seite. Hanne ist ihre Lebensaufgabe. Minna geht als geschiedene Frau durchs Leben, was in den 1950ern von vielen im Umfeld nicht gerne gesehen wurde.

Minna und Hanne bekommen beide gesundheitliche Beeinträchtigungen, die dafür sorgen, dass sie beruflich nicht auf einen grünen Zweig kommen, und Hanne es schwer fällt, Bindungen außerhalb ihres engsten Umfelds einzugehen, weil sie immer wieder monatelang aus ihrem sozialen Umfeld gerissen wird.

Hanne ist das bravste und folgsamste Kind, was man sich nur denken kann. Geboren im Krieg, aufgewachsen in Armut – keinen Ärger machen zu dürfen, hat sie verinnerlicht. Dann passiert, was man sich denken kann, wenn man sich den Titel und Verlagstext von Band 3 ansieht: Sie wird mit 19, damals galt das noch als minderjährig, schwanger und bekommt Romy.

In den ersten drei Jahren zieht Minna defacto Romy auf, erst dann übernimmt Hanne selbst die volle Verantwortung. Dass Romy kein Wunschkind ist, lässt Hanne sie bei jeder Gelegenheit spüren.

Etwa ab der Mitte des Buchs geht die Handlung primär von Minnas in Hannes Perspektive über. Zum Ende übernimmt Romy die Hauptrolle als Überleitung in den nächsten Band.

„Natürlich musste man es Romy sagen. Aber bitte nicht heute.“

Minnas Gedanken in Pos. 6911 im E-Book

Wichtige Themen in dem Buch sind die Rolle der Frau in den 1950ern und deren Folgen für die kommenden Generationen, die Nicht-Aufarbeitung der Nazi-Vergangenheit in dieser Generation, der Umgang mit Schein und sein und was passieren kann, wenn man zu viel unter den Teppich kehrt.

Mütter-Trilogie Band 1 und 3

Band 1 Minna. Kopf hoch, Schultern zurück beginnt 1924 in Düsseldorf mit Minna als Hauptfigur. Der Roman erschien 2022 und kommt nicht auf meine Leseliste, weil mir gerade nicht danach ist, eine Handlung zu dieser Zeit der deutschen Geschichte zu lesen.

Band 3 Romy. Mädchen, die pfeifen ist für Juli 2023 geplant. Er spielt 1983 in Bad Oeynhausen 198. Den Roman möchte ich unbedingt lesen. Wie es mit den Frauen der Familie weitergeht, interessiert mich. Romy macht sich darin auf die Suche nach der Wahrheit ihrer Herkunft.

Außerdem lese ich selten Romane, die in den 1980ern spielen – eine willkommene Abwechslung zu den Romanen, in denen der erste und zweite Weltkrieg immer wieder eine Hauptrolle spielen. Nach denen ist mir gerade nicht zumute.
Nachtrag 13. Juli 2023: Habe Band 3 gelesen und im Beitrag Kuckuckskind vorgestellt.

Ist das ein Roman oder Serie für Dich?

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Lesetipp **** Ein australisches Model im Paris der 1950er

Werbung – Rezensionsexemplar

Das Versprechen von Paris von Alexandra Joel

Das Versprechen von Paris
von Alexandra Joel

Deutsche Erstausgabe
Aus dem Australischen von Babette Schröder
Originaltitel The Paris Model, Originalverlag Harper Perennial
Taschenbuch, Klappenbroschur, 448 Seiten
ISBN 978-3-453-42566-8
Erschienen am 18. Januar 2023 im Heyne Verlag (Werbung)
Eine Leseprobe und Bestellmöglichkeiten bei diversen Händlern findest Du auf der Verlagswebsite.

Wie lange kannst du deine Vergangenheit verbergen, um deinen Traum zu leben?

Paris, 1948: Voller Hoffnung kommt Grace Woods nach Frankreich, um als Model im prestigereichen Hause Dior zu arbeiten. Als sie auch noch den zauberhaften Philippe kennenlernt, scheint alles perfekt. Doch die Nachkriegszeit wirft ihre Schatten auf das junge Glück: Philippe ist in riskante politische Machenschaften verwickelt, die auch Grace in Gefahr bringen. Dabei verbirgt sie ihre eigenen dunklen Geheimnisse: So hat sie ihren lieblosen Ehemann Jack in Australien zurückgelassen. Und dann ist da noch die Frage nach ihrem leiblichem Vater, deren Antwort Graces ganze Welt ins Wanken bringt …“

Verlagstext

Geschichten, die das Leben schrieb

Der Roman basiert laut Nachwort tatsächlich auf einer wahren Geschichte. Grace, Reuben (lernst Du beim Lesen noch kennen), Alfred (ihr Vater) und Olive (ihre Mutter) haben tatsächlich existiert. Die Kerngeschichte wurde von der Autorin samt der echten Namen übernommen. Auch viele andere Personen und Vorkommnisse hat es demnach wirklich gegeben.

Warum fange ich mit dem Nachwort an? Mir war der Roman zum Ende hin etwas zu zuckrig, aber als ich dann gelesen habe, dass es eine wahre Geschichte ist, kann die gar nicht kitschig genug sein, wenn es schöne Elemente sind, oder?

Jetzt aber zurück zum Anfang!

Nach dem Prolog, den man am Ende am besten nochmal liest, um ihn zu verstehen, ist der Roman in drei Teile gegliedert

  • Erstes Buch – La Débutante – Die Anfängerin – Seite 11-130
  • Zweites Buch – Le Mannequin – Das Mannequin – Seite 131-318
  • Drittes Buch – Le Femme – Die Frau – Seite 319-436.

Die wesentliche Handlung beginnt 1934 in Australien und springt dann zügig ins Jahr 1948, in dem Grace nach Paris übersiedelt. Die meiste Zeit begleitest Du Grace beim Lesen zwischen 1948 und 1951 in Frankreich, wobei sie ihr altes Leben aus Australien immer wieder einholt.

Diese Dreiteilung der Geschichte hat mir gefallen. Sie zeigt Grace in ihren Entwicklungsschritten, die sie in ihrer Kindheit und Jugend in Australien macht, als junge Frau in Paris zum Model für Christian Dior wird und im dritten Teil an Reife gewinnt und ihren Platz im Leben findet.

In allen drei Teilen konnte ich mich in Grace beim Lesen einfühlen und war mit ihr zusammen unterwegs – freuend und leidend. Ihre Entwicklung ist nicht leicht und sie steht sich bevorzugt selbst dabei im Weg mit ihrer Impulsivität und einem gewissen Sturkopf. Das kenne ich …

Beeindruckt war ich davon, wie frei und selbstbewusst Grace Ende der 1950er Jahre in Paris gelebt hat. Der französische Lebensstil liegt ihr und die Sprache spricht sie aufgrund ihrer Schulbildung vorher bereits. Sie wurde auf das Leben dort von ihren Eltern vorbereitet, auch wenn sie von einer Farm stammt und keinesfalls zimperlich ist.

Die liebevollen Beschreibungen der Kleider des New Look von Christian Dior, für die sie als Mannequin stundenlang gestanden hat, bis alles perfekt war, die sie vorführen und auch mal ausborgen durfte, waren so bildhaft, dass ich die Szenen komplett vor Augen hatte.

Was mit Philippe, Jack und Grace passiert, findest am besten zusammen mit ihrer Familiengeschichte selbst heraus. Dazu gibt es hier keinen Spoiler.

Fazit

Ein Stern Abzug gibt es für die vielen Handlungsschleifen im dritten Teil. Die verbleibenden vier Sterne stehen eindeutig für einen Lesetipp – besonders für Fans von Mode und Frankreich.

Ist das ein Lesetipp für Dich?

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Lesetipp ***** Das spezielle Leben einer Inselfamilie

Werbung – Rezensionsexemplar

Zur See von Doerte Hansen

Zur See
von Dörte Hansen

Originalausgabe, Hardcover mit Schutzumschlag, 256 Seiten
ISBN 978-3-328-60222-4
Erschienen am 28. September 2022 im Penguin Verlag (Werbung)
Eine Leseprobe und Bestellmöglichkeiten bei diversen Händlern findest Du auf der Verlagswebsite.

Woher kommt unsere Liebe zum Meer und die ewige Sehnsucht nach einer Insel?
Die Fähre braucht vom Festland eine Stunde auf die kleine Nordseeinsel, manchmal länger, je nach Wellengang. Hier lebt in einem der zwei Dörfer seit fast 300 Jahren die Familie Sander. Drei Kinder hat Hanne großgezogen, ihr Mann hat die Familie und die Seefahrt aufgegeben. Nun hat ihr Ältester sein Kapitänspatent verloren, ist gequält von Ahnungen und Flutstatistiken und wartet auf den schwersten aller Stürme. Tochter Eske, die im Seniorenheim Seeleute und Witwen pflegt, fürchtet die Touristenströme mehr als das Wasser, weil mit ihnen die Inselkultur längst zur Folklore verkommt. Nur Henrik, der Jüngste, ist mit sich im Reinen. Er ist der erste Mann in der Familie, den es nie auf ein Schiff gezogen hat, nur immer an den Strand, wo er Treibgut sammelt. Im Laufe eines Jahres verändert sich das Leben der Familie Sander von Grund auf, erst kaum spürbar, dann mit voller Wucht.

Klappentext

Dörte Hansen kennst Du vielleicht als Autorin von ihren ersten beiden Romanen Altes Land und Mittagsstunde, beides waren gehypte Bestseller. Altes Land habe ich gelesen, mochte es – allerdings primär wegen des Lokalkolorits, denn es spielt in Hamburg-Ottensen und im Alten Land, was beides hier in der Nähe und mir gut bekannt ist. Bei Mittagsstunde bin ich über eine Leseprobe nicht hinaus gekommen, die mich gelangweilt hat.

Umso mehr freue ich mich, dass ich Zur See als Rezensionsexemplar bekommen habe, denn über die Leseprobe wäre ich da vermutlich auch nicht hinausgekommen. Es fängt langsam und alkoholikerlastig an, gewinnt dann aber an Tempo, Vielschichtigkeit, Charme und Lösungen.

Zur See spielt in Zeeland, Jütland oder Friesland … und bietet damit eine Identifikationsfläche für alle Menschen, die irgendeine Nordseeinsel kennen. Ich finde es schön, dass es nicht um eine konkrete Insel geht, weil das der eigenen Phantasie mehr Platz lässt.

Das Buch spielt im Wesentlichen heute und in kurzen Rückblenden auf die Kindheit von Ryckmer, Eske und Henrik – die drei Kinder von Hanne und Jens Sander. Dann gibt es noch einen vor vielen Jahren zugezogenen Pastor, der an seinem Glauben zu zweifeln beginnt und dem die Frau stückweise davonläuft sowie ein paar Inselbewohner in Nebenrollen.

Die fünf Personen der Familie Sander haben eins gemeinsam: Sie finden ihren Platz im Leben nicht auf runde Weise.

Ryckmer Sander findet, dass er zu viel weiß, um nüchtern einzuschlafen.“

Seite 17f

Vom Kapitän zum betrunkenen Decksmann auf einer Fähre bis zum Seebestatter – was ist passiert, dass Ryckmer beruflich und privat durchs Leben schlingert? Er hat als Kapitän eines Schiffes in einem Sturm die Kontrolle verloren und sich bis heute nicht gefangen.

Eske kommt nicht raus aus der jugendlichen Rebellion und kann sich weder auf die Liebe noch ein friedliches Leben einlasen. Tattoos und Heavy Metall machen das Leben für sie aushaltbar. Ist auf Dauer Platz für ihre Freundin in ihrem Bett, die beim Schlafen ihre Arme und Beine wie ein Seestern von sich streckt (vgl. Seite 236)?

Wunschkind kann ein böses Wort sein, wenn dieses Kind die Wünsche seiner Eltern zu erfüllen hat, als wäre es ein Zauberer.“

Hanna über Henrik auf Seite 79f

Henrik sammelt nicht nur einfach Treibholz, er ist eins mit dem Meer und schafft Kunstwerke aus dem Treibgut, das er jeden Morgen zusammen mit seinem Hund sammelt. Die Kurztripgäste und Zweitwohnsitzbewohner aus den schicken Reetdachhäusern reißen ihm die Skulpturen aus der Hand. Er hat finanziell ausgesorgt, lebt aber weiter in seiner Bretterbude.

Er braucht nichts außer dem Meer, seinem Hund, seiner Kunst und jedes Jahre einen neuen Pullover, den Hanne ihm zum Geburtstag strickt. Der vom Vorjahr wird zum Backup, den vom Vorvorjahr bekommt der Hund für sein Körbchen. Seine Unruhe der Kindheitsjahre scheint sich in diesem von der Welt etwas abgekapselten Leben aufgelöst zu haben.

Jens ist vor 20 Jahren kommentarlos auf eine Vogelschutzstation gezogen und hat Hanne damit de facto verlassen. Jetzt spürt er, dass das einsame Leben dort für ihn ganz plötzlich nicht mehr das Richtige ist. Doch wohin führt sein Weg? Wer möchte er künftig sein? Schrittweise versucht er, sich Hanne wieder anzunähern. Heimlich und leise.

„Auf allen Inseln gibt es Frauen, die man nicht erschrecken kann, weil sie in ständiger Bereitschaft leben.“

Seite 14

Hanne ist so eine Frau, die nichts umhaut. Ob der Mann zur See fährt und verschwindet, obwohl er abgeheuert hat, ob der Sohn von ihr mit berufstauglichem Alkoholpegel durchs Leben zu führen ist und dennoch manchmal total abstürzt oder die Tochter ihr nicht verzeiht, dass sie sich als Kind nicht gesehen fühlte und sich um Henrik zu kümmern hatte, während die Sommergäste im Haus waren.

Mit der Hochzeit mit Jens, den Geburten der Kinder und ihrer Arbeit in Tracht im Heimatmuseum erfüllt sie die Rolle, von der sie denkt, dass sie für die bestimmt ist. Aber ist das wirklich die Rolle, die ihr in ihrem Leben gut tut?

Sachlich, ungerührt und doch dabei Bilder in den Kopf malend. Das Besondere an dem Roman ist die norddeutsche Sprache. Das Buch hat mich nach dem anfänglichen Holpern in seinen Bann gezogen. 256 Seiten erscheinen wenig, aber dennoch hat man eine Weile daran zu lesen, weil jede Seite gehaltvoll ist.

Wer lieber dicke Bücher liest, lässt sich von der Kürze bitte nicht von diesem Roman abhalten. Trotz der persönlichen Desaster der Protagonisten erscheint mir die Geschichte nicht traurig. Vielschichtig trifft es besser.

Kennst Du die Romane von Dörte Hansen? Wie gefallen sie Dir?

PS: Gelernt habe ich den Begriff, dass man eine Fahne dippen kann. Durch kurzes Nieder- und Aufholen grüßt man beim Dippen mit der Fahne. Ein schönes Wort und schöner Brauch, oder?