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Lesetipp: Dieser eine Sommer

Werbung – Rezensionsexemplar

Wer braucht schon Wunder von Anne Mueller

Wer braucht schon Wunder
von Anne Mueller

Originalausgabe, Hardcover mit Schutzumschlag, 240 Seiten
ISBN 978-3-570-10511-5
Erschienen am 11. Mai 2023 im Verlag C. Bertelsmann (Werbung)
Eine Leseprobe und Bestellmöglichkeiten bei diversen Händlern findest Du auf der Verlagswebsite.

“Sommer 1983: Lika hat endlich das Abitur in der Tasche. Bevor sie die norddeutsche Heimatstadt Kappeln, ihren Vater und kleinen Bruder verlassen und in ein neues Leben eintauchen wird, fängt sie als Bedienung bei Fränki im Kakadu an. Kellnerin Biggi ist hier die gute Seele, auch wenn es privat alles andere als rund läuft bei ihr. Der Kakadu wird für Lika schnell zu einer Art Ersatzfamilie. Das liegt auch am französischen Koch, der sie mit seinem Charme und seinen Kochkünsten umwirbt. Ob Picknick beim Segeln oder nächtliches Schwimmen, durch Antoine entdeckt Lika in diesen sommersatten Wochen ganz neue Facetten der Liebe. Aber es wird auch ein Sommer der schmerzlichen Wahrheit, denn Lika erfährt etwas über ihre verstorbene Mutter, was sämtliche Gewissheiten erschüttert.

Warmherziger Humor und eine leise Melancholie – in ihrem unverwechselbaren Sound erzählt Anne Müller vom Weggehen und Aufbrechen und vom Erwachsenwerden. Vor dem einzigartigen Hintergrund der Schleilandschaft weckt die Autorin die frühen 80er Jahre zum Leben.

Verlagstext

1983 ging als Jahrhundertsommer des 20 Jahrhunderts in die Wettergeschichte ein und genauso erinnere ich diesen Sommer. Die Schule begann nach den Sommerferien direkt mit Hitzefrei an mehreren Tagen.

Ich kam in die 7. Klasse und weiß noch genau, was mein Look in diesem Sommer war: Supermini-Jeansrock genäht aus einer Röhrenjeans, die einer Krankenhausschere zum Opfer gefallen war – sowas kennt Bloggerin Fran mit einer Latzhose – und einem rosa-weiß-hellblau gestreiften Top, das eigentlich ein Unterhemd war und die nächsten 20 Jahre mitgewachsen ist.

Für Lika als Abiturientin besteht die Mode des Sommers aus Karottenhose und schwarzem Bigshirt, seitlich geknotet (vgl. Seite 96). Sie war mir weit voraus!

Lika kann ihr Glück kaum fassen, wie traumhaft ihr letzter Sommer zu Hause in Kappeln an der Schlei ist und genießt jede Stunde samt lauen, romantischen Nächten. Norddeutschland ist ansonsten eher für nasse Sommer bekannt – damals zumindest noch – so dass sie seit Kindertagen etwas Ungewöhnliches führt: ein Regentagebuch.

“Liebe den Regen! Denn wenn du es nicht tust, regnet es trotzdem.”

Seite 35, Widmung ihrer Mutter im Regentagebuch

Begonnen auf Initiative ihrer Mutter im Regensommer 1975 führt sie es bis 1983. Sie findet 50 Regenformen, die sie in Arten und Gefühlen beschreibt (vgl. Seite 34 f): Egal-Regen, Regen als Gefängnis, Spaßverderber-Regen …

“Das Leben ist wie eine Jukebox, wenn Du nicht selbst deine Lieder auswählst, musst Du den Scheiß der anderen anhören!”

Antoine auf Seite 100

Im Kakadu, von Biggi so treffend als “Fundbüro für verlorene Seelen” (Seite 19) bezeichnet, lernt Lika im Sommer 1983 fürs Leben. Sie erkennt, was verzwickte Lebensläufe aus Menschen machen können und wie wichtig es für sie ist, sich weiterzuentwickeln und ins Studium in eine andere Stadt zu gehen – wohin sie das auch immer führen mag.

Dieser eine Sommer zwischen Jugend und Erwachsen werden – der ist etwas ganz Besonderes. Es war mir eine Freude, Lika in diesem Sommer zu begleiten, auch wenn das bei mir keine 24 Stunden gedauert hat. Ein schönes Sommerbuch samt norddeutscher Gelassenheit, das mich zu lautem Lachen und gerührtem Schlucken verführt hat.

Kennst Du Romane von Anne Müller? Ist dieser etwas für Dich?

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Lesetipp: Kinderverschickung in den 1960ern – zwischen Erholung und Qual

Werbung – Rezensionsexemplar

Gezeitenkinder von Luise Diekhoff

Gezeitenkinder
von Luise Diekhoff

Hardcover mit Schutzumschlag, 400 Seiten
978-3-453-27353-5
Erschienen am 29. März 2023 im Verlag Heyne Hardcore (Werbung)
Eine Leseprobe und Bestellmöglichkeiten bei diversen Händlern findest Du auf der Verlagswebsite.

“Norderney 1962: Die junge Hanna fängt im Kindererholungsheim Strandhafer als Pflegerin an. Sie ist voller Hoffnung, einen Beitrag zum Guten in der Welt leisten und den kranken Kindern dort helfen zu können. Doch schnell stößt sie dabei auf Widerstand: Oberschwester Margot leitet das Heim mit harter Hand, Hanna fühlt sich bald von der strengen Frau drangsaliert. Wie kann solch eine herzlose Person die Aufsicht über kranke Kinder führen? Hanna beginnt zu recherchieren. Dabei stößt sie auf immer mehr erschreckende Ungereimtheiten in der dunklen Geschichte des Heims. Sie muss sich entscheiden: wie gewohnt den Kopf einziehen oder für ihre Überzeugungen kämpfen. Und dafür alles riskieren.”

Verlagstext

Achtung Spoiler!

Zusammen mit ihre Cousine Evi hat Hanna die Ausbildung zur Kinderpflegerin gemacht. Krankenschwester zu werden, würde ihr liegen, aber dem steht ihre Leseschwäche, die sie mühsam zu verbergen versucht, im Weg. Sie freut sich von Herzen darauf, auf Norderney zusammen mit Evi ein Jahr zu verbringen und den Kindern Gutes zu tun.

Hanna hat sich zur Vorbereitung Spiele und Geschichten ausgedacht und hat eine traumhafte Strandzeit vor Augen. Evi interessiert sich von vornerein mehr für Partys und Affären. Es zeigt sich schnell, dass es Evi leicht fällt, die Missstände in dem Kinderheim auszublenden und sich auf ihren privaten Spaß zu konzentrieren. Sie macht die Arbeit eh nur, weil ihr Vater das von ihr erwartet, bevor sie zu Hause ins Lichtspielhausunternehmen einsteigen darf.

Hanna hingehen kann nicht wegsehen, wenn Kinder gequält werden, indem ihnen zum Beispiel gegen ihren Willen Essen und Medikamente verabreicht, Isolationszimmer zur Strafe und nicht zum Schutz der Ausbreitung von Krankheiten verwendet und Kinder mit speziellen Themen selbst vom Personal mit erniedrigenden Spitznamen belegt werden.

Das ist der eine Handlungsstrang: Hannas und Evis Weg. Der andere dreht sich um den Niederländer Jan, der seine Tante Ardie sucht, die bis Mitte Mai 1945 auf Norderney gewesen sein müsste. Das knüpft den Bogen zur NS-Vergangenheit einiger Schlüsselpersonen um das Heim herum.

Wilko, Hausmeister des Kinderheims, kommt weder über den kriegsbedingten Verlust seines Bruders noch seines Vaters hinweg und versucht mit seiner Piratenradiosendung Gegen der Vergessen dafür zu sorgen, dass niemand vergisst, was im 2. Weltkrieg auf Norderney passiert ist. Das damals erlittenes Trauma zieht sich bis heute körperlich und mental durch sein Leben. Schafft er es, sich der Vergangenheit seiner Familie zu stellen und dabei selbst zu heilen?

Besonders gefallen hat mir an dem Roman die bildhafte Sprache, gerade in Bezug auf Gedanken und Gefühle, die im Kopf wie Farben und Geräusche wirken, zum Beispiel bei Rita, einem der Verschickungskinder.

“In Ritas Kopf schwappte eine zähflüssige Masse und begrub sämtliche Gedanken mit satten, schmatzenden Geräuschen, die einfach nicht leiser werden wollten.”

Pos. 2594 im Kindle-E-Book

Die Geschichte hat mich berührt und ich habe den Roman in einem Rutsch durchgelesen. Inhaltlich ist es einerseits schwere Kost, weil es um die Misshandlung von Kindern geht. Anderseits ist es aber auch eine schöne Geschichte, wenn man bedenkt, wie sehr Hanna sich für die Kinder gerade macht und versucht, etwas zu bewirken. Ob Dir der Schreibstil liegt, kannst Du beim Sichten einer Leseprobe fix feststellen.

Am Rande

Interessant finde ich, welchen Bezug die Autorin zu der Geschichte hat: Ihre Mutter war in den 1960er Jahren Kinderpflegerin auf Norderney und war ihr bei der Recherche behilflich.

Meine Mutter war genau in dem Jahr 1962, in dem das Buch beginnt, für ein Jahr in einem ähnlichen Kinderheim in Timmendorfer Strand an der Ostsee, die Mutter einer Freundin ein Jahr zuvor auf Helgoland. Beide habe das Jahr in den Kinderheimen als Hilfskraft verbracht, um die Zeit zu überbrücken, bis sie 18 Jahre waren und damit alt genug für die Ausbildung zur Krankenschwester bzw. Erzieherin.

Das war damals für Frauen ein durchaus üblicher Weg, heute würde man das FSJ nennen. Fans von Norderney werden sich beim Lesen anders in die Geschichte einlesen als welche, die Norderney nicht kennen.

Auf Norderney war ich 1982 für zwei Wochen im Sommer und habe die Zeit dort noch gut vor Augen. 1984 war ich auf Borkum => die Westfriesischen Inseln und ich haben ihre Liebe zueinander bisher nicht gefunden . Ich bin im Team Nordfriesland und deutsche Ostseeküste.

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Lesetipp: Das Ende einer Geheimdienstära

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Der letzte Auftrag von Titus Mueller

Der letzte Auftrag
Die Spionin-Reihe Band 3
von Titus Müller

Paperback, Klappenbroschur, 400 Seiten
ISBN 978-3-453-44127-9
Erschienen am 11. Mai 2023 im Heyne Verlag (Werbung)
Bestellmöglichkeiten bei diversen Händlern findest Du auf der Verlagswebsite.

“1989. Ria Nachtmann hat ihre große Liebe geheiratet und sich als Spionin zur Ruhe gesetzt. Ihre Tochter Annie verfolgt derweil einen gewagten Plan: Sie will eine Doku des DDR-Widerstands drehen und sie in den Westen schmuggeln. Als sie und ihr Freund Michael dabei versehentlich zwei Männer einer KGB-Geheimoperation filmen, gerät alles außer Kontrolle. Der in Dresden stationierte russische Agent Wladimir Putin hängt sich an ihre Fersen. Mutter und Tochter stehen bald zwischen allen Fronten und müssen erkennen, dass es um nichts weniger geht als um den Sturz der DDR-Regierung und die Zukunft Deutschlands.”

Verlagstext

Die vollständige Spionin-Reihe

Mit Spannung habe ich auf den dritten Band der Reihe gewartet, nachdem ich in den beiden Jahren zuvor Die fremde Spionin und Das zweite Geheimnis verschlungen habe. Wenn Du die Serie noch nicht kennst, hast Du jetzt lange genug gewartet, um sie in einem Rutsch zu lesen.

Der Titel passt für mich nicht ganz zum Buch, denn es geht im Wesentlichen um Annie und nicht um die ehemalige Spionin Ria. Ria tritt zwar mit ihrem Netzwerk kurz in Erscheinung und das hat eine bedeutende Rolle, nimmt im Buch aber nur wenige Seiten ein.

Annie und Ria sind oft in Gedanken beieinander, sind sich aber durch das getrennte Leben in Ost- und West-Berlin so fremd, dass es ihnen schwer fällt, sich aufeinander einzulassen. Als Ria einen kodierten Hilferuf von Annie erhält, ist sie aber sofort bereit, dafür alles aufs Spiel zu setzen.

Der inhaltlicher Fokus liegt politisch in dem Band auf den letzten Tagen der DDR um den 40. Jahrestag 1989 herum. Menschlich geht es um Bindungen. Ria und Annie haben es schwer miteinander, weil Annie bei Adoptiveltern aufgewachsen ist und Ria nach einem späteren Kennenlernen in die BRD geflüchtet ist und sie ein zweites Mal verlassen hat. Theoretisch hat man immer eine Wahl – praktisch manchmal doch nicht wirklich.

Dieser Bruch in der Familiengeschichte bestimmt Annies Leben. Als sie ihre Jugendliebe aus Sportlertagen, Michael, wieder trifft, projiziert sie ihre Bindungsbedürfnisse auf ihn, was seiner Freundin nicht gerade gefällt. Für wen wird Michael sich entscheiden? Das verrate ich Dir nicht.

Band 1 fand ich großartig, Band 2 auch spannend, beim dritten hat der Zug für mich beim Lesen nachgelassen. So wichtig die ganzen politischen Details der DDR sind – real und für den Roman – so zogen sich diese Teile für mich beim Lesen.

Zwar wollte ich wissen, wie die Geschichte der beteiligten Romanfiguren ausgeht, aber ansonsten hat mich die Geschichte nicht so gefangen genommen, wie bei den ersten beiden Bänden. Das mag möglicherweise daran liegen, dass ich mich noch gut an Details aus dem Jahr 1989 erinnere. 1961 und 1973 habe ich politisch nicht erlebt.

Für Fans der Spionin-Reihe ist das Buch ein Lesetipp, weil es den Abschluss bildet. Wer Lust hat, eine Serie in einem Schwung zu lesen, wird auch diesen dritten Band lesen wollen. Zum Einstieg in die Reihe ist der dritte Band aus meiner Sicht nicht geeignet, weil Vorwissen fehlen würde.

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Lesetipp – Drei Frauen nehmen ihr Leben in die Hand

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Die Radioschwestern von Eva Wagendorfer

Die Radioschwestern – Melodien einer neuen Welt, Band 2
von Eva Wagendorfer

Originalausgabe
Paperback , Klappenbroschur, 448 Seiten
ISBN 978-3-328-10817-7
Erschienen am 15. März 2023 im Penguin Verlag (Werbung)
Eine Leseprobe und Bestellmöglichkeiten bei diversen Händlern findest Du auf der Verlagswebsite.

Frankfurt in den 50ern, amerikanische GIs und Rock’n‘Roll – Deutschland tanzt in eine neue Zeit

Für die Freundinnen Gesa, Inge und Margot steht alles auf Neuanfang. Nach Kriegsende müssen sie versuchen, privat und auch beruflich wieder Fuß zu fassen und ihre Leidenschaft für das Radio neu zu entdecken. Radio Frankfurt steht nun unter amerikanischer Kontrolle – eine echte Chance für die drei Frauen, ihren Traum von der großen Karriere endlich wahr werden zu lassen! Aber auch die neue Generation drängt in die Unterhaltungsbranche und macht ihnen die Stellung streitig. Doch gemeinsam kämpfen die Radioschwestern um ihre Zukunft, die Liebe und ihr Glück …”

Verlagstext

Band 1 – Klänge einer neuen Zeit – habe ich Dir im September 2022 vorgestellt und mich seitdem aufs Lesen von Band 2 gefreut, der in den 1950ern die Geschichte wieder aufzunehmen versprach. Leider ging die Handlung 1945 direkt nach Kriegsende weiter, so dass ich die ersten 100 Seiten eher deprimierend fand.

Einen Roman, der in Trümmern und Hunger spielt, hätte ich mir aktuell nicht zum Lesen ausgewählt. Nun gut – die Menschen wollten damals auch nicht so leben … Erst auf Seite 284 landen wir wirklich zusammen mit den Radioschwestern in den 1950ern.

Nach der Währungsreform 1949 geht es endlich wieder wirtschaftlich aufwärts und die Leser_innen begleiten die Frauen bis 1955. Der Epilog leitet über in die neue Generation der Töchter und Schwiegertöchter, die in Band 3 – Tanz in ein neues Leben – ab dem 14. Februar 2024 zum Lesen einladen. Dieser Band wird in den 1960ern spielen.

Nun zurück zu Band 2 – Melodien einer neuen Welt – den ich Dir heute vorstelle. Gesa, Inge und Margot sind nach wie vor enge Freundinnen. Ihre Freundschaft scheint fürs Leben gemacht zu sein. Nicht so einfach haben sie es mit ihren Kindern und Männern.

Inge findet die Liebe spät und hat dann nicht mehr so lange etwas davon. Gesas halbjüdischer Ehemann Albert ist im Krieg in Berlin verschollen gegangen und sie tut sich mehr als schwer damit, ihn loszulassen. Margot ist nach wie vor mit Fritz verheiratet, steht aber vor dem Eheproblem, dass Fritz nicht damit klar kommt, dass seine Frau das Geld nach Hause bringt.

Fritz gehört zu denjenigen, die im Rahmen der Entnazifizierung keinen Persilschein bekommen haben, weil er im Dritten Reich durchgehend beim Radio als Sportmoderator tätig war, auch wenn er nicht hinter der Ideologie stand.

Ein typischer Fall aus meiner Sicht für hinterher will keiner dabei gewesen sein. Anderseits konnte er so seine Familie finanziell durch den Krieg bringen und die Ernährung in dieser schwierigen Zeit sicherstellen. Wer weiß schon, wie man selbst entschieden hätte? Niemand.

Theodor, dem Freund von Inge, geht es ebenso wie Fritz, denn er war als Schauspieler beschäftigt und ist dafür in die Partei eingetreten. Verzweifelt steht er vor den Scherben seiner Karriere.

“Die Verachtung in Deinen Augen habe ich verdient. Meine beruflich motivierten Fehlentscheidungen verfolgen mich, aber ich war nie ein Nationalsozialist.”

Seite 62, Theodor im Dialog mit Inge

Zurecht fragt sich Major Lester, der den Rundfunk als amerikanischer Besatzer in Frankfurt wieder aufbaut, wo man in der derzeitigen Lage jemanden finden soll, der wirklich unbelastet ist und nicht nur so tut (vgl. Seite 38). In Major Lester findet Gesa einen Unterstützer. Im Lauf der Zeit stellt sich die Frage, wie viel sie zu tun bereit ist, um ihre Kindern nicht verhungern zu lassen.

Die Radioschwestern gehen alle beruflich ihren Weg und finden Plätze in der neuen Radiowelt, die ihnen entsprechen. Nicht immer wäre es ihre erste Wahl, aber es gibt ja auch noch die Freizeit, in der Cellistin Margot sich zum Beispiel dem Jazz-Spiel hingeben kann.

Schön finde ich bei Band 1 und 2, dass ich als Leserin die Frauen über einen langen Zeitraum hinweg begleiten kann. Ob ich den dritten Band lesen möchte, in dem die jüngste Generation übernimmt, weiß ich noch nicht.

Die jungen Frauen haben mich beim Lesen bisher nicht eingenommen. Außerdem steht zu befürchten, dass im Alter bei Gesa, Inge und Margot nicht mehr alles besser wird. Ob ich die Alterskurve rund haben möchte, entscheide ich beim Erscheinen des dritten Bandes.

Bist Du Fan der Radioschwestern?

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Lesetipp – Lily & Agnes

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Die Kinder von Beauvallon von Bettina Storks

Die Kinder von Beauvallon
von Bettina Storks

Originalausgabe, Paperback , Klappenbroschur, 464 Seiten
ISBN 978-3-453-36117-1
Erschienen am 12. April 2023 im Diana Verlag (Werbung)
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“Dieulefit, 1965: Im Auftrag ihres Freiburger Radiosenders reist die Moderatorin Agnes in einen kleinen französischen Ort, wo im Zweiten Weltkrieg mehr als tausend Flüchtlinge Schutz fanden. Darunter viele jüdische Kinder, die in der Schule Beauvallon von den mutigen Dorfbewohnern versteckt wurden. Könnte auch Agnes’ Freundin Lily überlebt haben, von der seit zwanzig Jahren jede Spur fehlt? Welche Antworten hat ein damals ranghoher Résistance-Offizier? Agnes’ Recherche wird zu einer aufwühlenden Reise in die Vergangenheit, die sie mit der Macht des Schweigens und einem Versprechen von einst konfrontiert.

Klappentext

Weil ich das Buch vorab zum Lesen bekommen habe, erscheint dieser Beitrag heute ausnahmsweise außer der Reihe zum heutigen Veröffentlichungstag des Romans. Nachdem ich bereits die anderen drei Romane der Autorin, Das geheime Lächeln, Leas Spuren und Klaras Schweigen verschlungen habe, war ich voller Vorfreude auf Die Kinder von Beauvallon. Dass ich die 464 Seiten in zwei Tagen inhaliert habe, sagt alles, oder brauchst Du noch die 5-Sterne dazu?

Der Roman hat mich von der ersten Seite an gefangen genommen auf schönste Weise. Ich konnte und mochte mich in fast alle Personen beim Lesen hineinversetzen und das macht für mich ein besonderes Lesevergnügen aus.

Obwohl das Buch den schlimmsten Teil der deutschen Geschichte in den 1930/40er Jahren umfasst, habe ich es keine Sekunde als schwermütig empfunden, weil trotz allen Dramas positive Menschlichkeit überwiegt. Die Geschichte spielt in Rückblenden in den Kriegsjahren und in der im Buch aktuellen Zeit der 1960er Jahre.

Hätte ich die Autorenschaft des Romas raten müssen, hätte ich auf Ken Follett getippt, dessen Frankreichroman Die Leopardin ich liebe. Das Buch ist spannend und flüssig geschrieben, so dass ich es am liebsten gar nicht weggelegt hätte und mir die Personen nach dem Lesen gefehlt haben, weil ich beim Lesen Teil ihres Lebens war.

Die Geschichte wird aus den Perspektiven von Agnes, Lily und Jolie erzählt. Agnes und Lily waren Kinderfreundinnen, die 1940 durch die Deportation Lilys aus Südbaden nach Frankreich in ein Lager für Juden getrennt wurden. Jolie ist eine engagierte Résistance-Aktivistin, die jüdischen Kindern zu neuen Identitäten in Frankreich und der Schweiz verhilft und deren Flucht an sichere Orte begleitet.

Einer dieser sicheren Orte ist die Internatsschule Beauvallon, die es im Übrigen bis heute gibt, im real existierenden Ort Dieulefit. Dorthin begleitet sie auch Lily und deren Mitflüchtling Jean, der zu ihrem engsten Begleiter in den kommenden Jahren wird. Jolie und die Lehrerinnen der Schule von Beauvallon tun einfach alles in ihrer Macht stehende, um den Kindern zu helfen.

Agnes hat Lily nie vergessen, die Suche allerdings irgendwann aufgegeben, obwohl sie nie einen Nachweise für ihren Tod gefunden hat. Lilys Eltern sind umgekommen, aber Lilys Verbleib ist unklar.

Bei ihrer Arbeit als Radiomoderation beim Südwestfunk bekommt Agnes 1965 eines Abends von ihrem Vorgesetzten Wolfgang den Geheimauftrag, die Geschichte der Kinder von Beauvallon zu recherchieren und mit Zeitzeugen mediengerecht aufzubereiten. Wolfgang ist zufällig im Urlaub auf den geheimnisvollen Ort und seine Geschichte gestoßen.

Agnes spürt, dass die Reise nach Dieulefit eine Reise in die Vergangenheit ihrer Kinderfreundin Lily werden kann. Noch immer besitzt sie eine Hälfte eines Fotos der beiden Kinder, das sie bei der Deportation auf den letzten Metern von Lilys Abreise zerrissen und sich geschworen haben, es irgendwann wieder zusammenzufügen. Vergessen hat sie Lily nie. Doch wird sie Lily finden? Lebendig oder einen Nachweis für ihren Tod?

Eins ist schnell klar: In Dieulefit wohnen keine Schwätzer. So recht möchte keiner mit Agnes sprechen, als hervorhebenswert empfindet es auch keiner im 2000-Seelen-Dorf im Krieg zeitglich 1500 Flüchtlinge beherbergt zuhaben – eher als selbstverständliche Menschlichkeit. Agnes stößt gegen eine Wand des Schweigens, das im Krieg den Menschen das Leben gerettet hat, weil es keinerlei Denunziation gab.

„Mit Lily Blums Schicksal ging es auch im ihre Biographie, um ihre Auseinandersetzung mit der deutschen Vergangenheit, ihre Haltung.“

Agnes‘ Gedanken auf Seite 164

Neben dem konkreten Schickschal von Lily und deren Familie gehören zum Kernthema des Romans die Aufarbeitung der deutschen Nazi-Vergangenheit und auch die Rolle der Frau im Berufsleben, wenn sie kein Kinder-Küche-Kirche-Leben führen will.

Das führt im Job zu einem Generationenkonflikt mit Agnes‘ Studioleiter Waldemar Straub (vgl. Seite 266), bei dem zwei Generationen und gesellschaftlichen Wandel oder Stillstand kämpfen. Agnes‘ Generation ging es um die Chance zur Veränderung, der Generation von Straub um ein Verharren in alten Mustern.

Ist das ein Roman für Dich?

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