Nicole vom Blog Life with a glow hat sich und ihre Leserinnen im Juni in einem Blogbeitrag gefragt, ob es etwas gibt, das man mit Ü50 nicht mehr tragen sollte.
Das ist eine beliebte Clickbait-Frage, um Schreistürme auszulösen, denn natürlich lässt sich nicht alles am Alter festmachen, was einem steht und man es daher vielleicht tragen möchte, und auf das Wort sollen reagiere nicht nur ich allergisch. Ich brauche genauso wenig wie Nicole jemanden, der mir vorschreibt, was ich zu tragen habe.
Rat hingegen schätze ich durchaus. Wertschätzendes Feedback oder anregende Ideen von Personen aus meinem Umfeld oder kompetentem Verkaufspersonal empfinde ich als wertvoll. Es bleibt ja dennoch mir überlassen, ob oder wie ich etwas davon umsetze.
Am Ende von Nicoles Beitrag steht die Frage, was den Meinungen ihrer Leserinnen nach gar nicht geht. Das führte mich in Gedanken umgehend zu einem Beitrag, den ich 2017 veröffentlicht und dafür einen gepflegten Shitstorm kassiert habe. Es ging um sieben Sachen, die mir immer wieder – für mein Auge negativ – auffallen, wenn ich in der Fußgängerzone stehe und Menschen vorbeigehen sehe.
7 Outfitsünden
- Zu kurze Hosen
- Zu lange Ärmel
- Zu enger tiefer Hosenbund mit Muffin-Effekt
- Ausgebeulte Hosen
- Zu tiefer Ausschnitt
- Zu enger Schmuck
- Ungeputzte Schuhe
Das alles sehe ich auch heute noch an Menschen jeden Alters, bei denen ich mir sicher bin, dass ihnen ihr Äußeres nicht egal ist. Am Gesamtbild ist schnell zu erkennen, dass sich jemand an sich Gedanken über das Outfit gemacht hat. Das Geschlecht spielt dabei keine Rolle.
2017 nahm ich an, dass die meisten Menschen ein Korrektiv um sich herum haben – Freund_innen, Bekannte, Partner_innen, Familie, Nachbar_innen, wen auch immer – das ihnen bei Gelegenheit freundlich sagt, dass bestimmte Elemente ihrer Outfits deutlich schöner wirken würden, wenn sie passen würden oder heil wären.
Auf genau diese Aspekte laufen meine Kritikpunkte heraus. Es geht nicht darum, ob jemand Leomuster schön findet, Neonfarben liebt oder mit 80 Jahren kurze Röcke trägt. Es geht darum, dass die Kleidung zum Körper passt und gepflegt wirkt.
Was nützen die schicksten Pumps, wenn die Spitzen angeschraddelt sind? Die schönste Hüfthose verliert ihren Charme auch ohne Muffin-Effekt, wenn man beim Bücken das Bauarbeiter-Dekolleté sieht.
Wie kommt man an erwünschtes Feedback?
Gerade Menschen, denen anzusehen ist, dass ihnen ihr äußeres Auftreten nicht egal ist, freuen sich vielleicht, wenn jemand ihnen jemand auf freundliche Weise sagt, dass es aus seiner Sicht etwas gibt, was die Sache noch runder machen würde.
Vielleicht ist das aber auch nur meine Perspektive als Beraterin, die davon lebt, dass sie von anderen Menschen für ihre Sichtweise bezahlt und auch privat oft nach ihrer Meinung gefragt wird? Mag sein.
Gelernt habe ich 2017 nach der Veröffentlichung des Beitrags, dass es weitaus mehr Menschen gibt, als ich geahnt habe, die wirklich auf sich alleine gestellt sind und niemanden im Umfeld haben, der auf freundliche Weise Feedback gibt. Denen wollte ich damit selbstverständlich nicht auf die Seele treten.
Für diese Menschen ist es schwierig, alleine an ihrem Erscheinungsbild zu arbeiten. Dafür gibt es in der virtuellen Welt inzwischen viele Gruppen in den Socials, in denen man sich gegenseitig unterstützen kann. An der Stelle verdienen die Socials ihren Namen. Wer das nicht möchte, kann immer noch eine individuelle Beratung buchen oder in einem Geschäft mit kompetenter Beratung einkaufen.
Am Ende zählt der persönliche Geschmack
Zur Frage, ob das wirklich Outfitsünden sind: Für mich sind Modesünden keine Sünden im theologischen Sinn, genauso wenig wie es eine Modepolizei gibt. Was Wort Sünde steht für mich in dem Zusammenhang vielmehr dafür, dass es so schön hätte sein können, wenn der Patzer das Gesamtbild nicht verdorben hätte.
So wie es für mich eine Sünde ist, Ketchup auf Katenschinkenbrot zu schmieren, weil das Ketchup mit seinem BÄHM den feinen Geschmack des Schinkens erschlägt, machen für mich unter anderem die oben genannten sieben Punkte ein Outfit optisch kaputt. Das eine betrifft den optischen Geschmack, das andere den gustatorischen.
Wer das so leiden mag, möge so glücklich sein. Es ist auch nicht verboten, sich Ketchup auf Katenschinkenbrot zu schmieren. Wer sich aber fragt, warum andere Menschen irgendwie immer ein bisschen schicker aussehen als man selbst, tut gut daran, auf solche Details einen Blick zu werfen.
Wenn ich jemanden auf Punkte dieser Art – oder was auch immer – ungefragt hinweisen möchte, frage ich nach Möglichkeit übrigens immer, bevor ich den Kritikpunkt anspreche, ob ich dazu etwas sagen darf. Frei nach dem Grundsatz: