Werbung – Rezensionsexemplar

Etwas verborgen Schönes
Arne Jensen
Originalausgabe, Paperback , Klappenbroschur, 576 Seiten
ISBN 978-3-453-42653-5
Erschienen am 13. Dezember 2023 im Heyne Verlag (Werbung)
Eine Leseprobe und Bestellmöglichkeiten bei diversen Händlern findest Du auf der Verlagswebsite. Ich habe es als E-Book gelesen.
„„Wenn man dem Herzen keinen Raum gibt, stirbt es.“
Uckermark, 2022: Ein altes Gutshaus nicht weit vom Nirgendwo entfernt, mitten im Juli. Die Neunzigjährige Ottilie Rabe versammelt ihre weit verzweigte Verwandtschaft, um ihren Nachlass zu regeln. Doch das Treffen reißt alte Wunden auf. Vor allem will sie einem blinden Fleck in ihrer Erinnerung nachgehen. Denn Ottilie hat über Jahrzehnte etwas verheimlicht, und das ist so ungeheuerlich, dass es ihrer aller Leben für immer verändern wird.
Verlagstext
Berlin, 1944: Ein hochrangiger Gestapo-Offizier wird tot in seiner Wohnung aufgefunden, er wurde mit einem Hammer erschlagen. Der ermittelnde Kriminalrat Werner Beltheim steht unter großem Druck, den Fall rasch aufzuklären. Dringend tatverdächtig ist die Tochter des Toten, die neben ihm auf einem Hocker sitzt. Ihr Name ist Ottilie Rabe …“
Es fällt mir total schwer, diese Rezension zu schreiben, weil mich das Lesen des Romans emotional sehr mitgenommen hat. Hätte ich gewusst, wie intensiv es im Jahr 1944 spielt, hätte ich das Buch nicht gelesen. Es tut mir gerade nicht gut, mich tief in diese Zeit zu begeben. Aber wem tut es das schon … und hätte ich das vorher gewusst, wäre mir dieser fesselnde Roman entgangen. Du weißt das jetzt und kannst es für Dich vielleicht besser einschätzen als ich, ob Du Dich in diese Handlungsstränge begeben möchtest.
Kernpersonen im heute
Die Hauptfigur in dem Roman ist Ottilie, genannt Lili. Der direkte Familienstrang mit Lili, ihrer Adoptivtochter Hanna und Julia bildet die Kernlinie. Um sie herum gibt es, ausgelöst durch Ottilies Kauf von Gut Torchau und dem Bedürfnis, ihr Erbe zu regeln und die Umstände des Todes ihres Vaters zu klären, ein großes Familientreffen auf dem Gut.
Die Familie Rabe ist weit verzweigt, auch Teile der Familie von Lilis Großmutter mütterlicherseits werden einbezogen. Allerdings hatte Lili bis zu dem Treffen mit keinem der Verwandten bis dahin seit ihrer Kindheit Kontakt. Nach dem Tod ihres Vaters ist sie eigene Wege gegangen und lebt nach dem 2. Weltkrieg in der DDR. 2022 lebt sie mit ihrem Partner Ebbi in Berlin.
Hanna, aufgewachsen bei Lili in der DDR, ist als junge Frau mit einem Armenier zusammen. Er arbeitet eigentlich in der Sowjetunion, kennengelernt haben sie sich in der DDR. Die beiden fliehen zusammen in den Westen, heiraten, leben in Köln und bekommen Tochter Julia.
Als Julia zehn ist, verlässt der Vater die Familie und geht zurück nach Armenien. Später ziehen Hanna und Julia nach Hamburg. Julia hat den Kontakt bis heute konsequent abgebrochen, mit ihrer Mutter hat der Vater nur noch ein loses Geburtstagsgruß-Verhältnis nach der Scheidung.
Julias Lebensthemen sind, dass sie regelmäßig für eine türkische Migrantin gehalten und diskriminiert wird und von ihrem Vater verlassen wurde. Erst in Köln, dann in Hamburg und jetzt in Berlin weiß kaum jemand, wo Armenien auf der Weltkarte liegt. Ihr Identitätsthema macht es ihr schwer im Leben. Darüber dass Ihr Vater sie verlassen hat, ist sie nie hinweggekommen. Dass Julias Cousin aus Armenien auf einmal bei ihr in der Tür steht, wirft sie ziemlich aus der Bahn.
Erzählebenen
Die Handlung spielt primär 1944 und 2022. Der Rückblick auf 1944 spielt zu Beginn in Lilis Perspektive und wechselt dann durch eine 2022 angestoßene Aufarbeitung der Geschehnisse in die Perspektive des Kripobeamten Werner Beltheim, der damals den Todesfall Walter Rabe bearbeitet hat.
Wie es dazu kommt, dass die Lesenden im Jahr 2022 die genauen Gedanken von Werner Beltheim erfahren, würde hier zu viel verraten. Ebenso kann ich nichts zu Lilis Geheimnis sagen, weil das die Spannung verderben würde. Etwa in der Mitte des Buches gibt es eine Wendung, die vieles erklärt. Die Stränge werden am Ende zusammengeführt, so viel kann ich sagen. Was natürlich nicht bedeutet, dass es auf alle Fragen von damals und heute eine Antwort gibt.
Elementar ist in dem Roman die Frage, wie sich gefühlte Schuld über Generationen vererben kann. Was liegt in den Genen, was ist durch das Umfeld geprägt? Wie ist ein selbstbewusster, positiver Weg möglich, wenn einem jeden Tag vorgelebt wird, dass an der Familie Pech klebt? Was macht das mit Kindern, Enkeln, Urenkeln? Was ist mit Lügen und Geheimnissen, die man spürt, aber nicht benennen kann?
Fazit
„Du bleibst als Mensch für mich die, die du immer warst. Ich muss nur den Setzkasten etwas umräumen, in dem ich meine Vorurteile aufbewahre.“
Arne Jensen, Etwas verborgen Schönes, Heyne, Julias Worte auf Seite 494 im E-Book
Die Geschichte ist spannend, vielschichtig und tief erzählt. Sie hat mich berührt. In Summe waren mir zu viele Themen darin verstrickt. Jede hinzukommende Person schien ein weiteres Drama im Gepäck zu haben, das für einen eigenen Roman taugen würde.
Vielleicht es das Leben so, wenn man genau hinsieht? Und um Lilis Lebensgeschichte zu erzählen, geht das vielleicht gar nicht anders? Wenn Du Lust hast, Dich davon gefangen nehmen zu lassen: viel Spaß beim Lesen!